Projekte zum Nationalsozialismus in Kaufbeuren

Seit 2020, nach dem Ende der Sonderausstellung Kaufbeuren unterm Hakenkreuz. Eine Stadt geht auf Spurensuche", verwirklichte das Stadtmuseum Kaufbeuren eine Reihe von Projekten zur weiteren Aufarbeitung des Nationalsozialismus in der Stadt. Erfahren Sie hier mehr!


App zu den Kaufbeurer Stolpersteinen

Die 16-jährige Kaufbeurerin Elisabeth nimmt Sie mit auf eine Zeitreise in das Jahr 1943. Sie führt zu acht Stationen, an denen Sie mehr über ausgewählte Kaufbeurer Opfer des Nationalsozialismus und wichtige Vorkommnisse in der Stadt erfahren. Für jede vorgestellte Person wurde ein Stolperstein an ihrem letzten Wohnort verlegt. An jedem Stolperstein erhalten Sie nach Elisabeths Erzählungen anhand einer Kurzbiographie, Fotos, einem Video oder Hörbeitrag Einblicke in die einzelnen Lebensgeschichten. Das Stadtmuseum Kaufbeuren hat in Zusammenarbeit dem Stadtjugendring Kaufbeuren 2021/2022 diese App mit tiefergehenden Informationen zu den Kaufbeurer Stolpersteinen entwickelt. Das Besondere daran: Die Figur Elisabeth wurde in einem Workshop mit Jugendlichen im September 2021 erarbeitet, die Hörbeiträge wurden von den Workshop-Teilnehmerinnen geschrieben und selbst eingesprochen.

Sie können die App hier downloaden.

Zu den Stolpersteinen wurde eine Stadtführung entwickelt, in der die App Verwendung findet. Weitere Informationen dazu finden Sie hier.


 „Stolpersteine“ in Kaufbeuren

Verlegung mit Künstler Gunter Demnig am 21.03.2023

Am Dienstag, den 21. März 2023, ab 9.00 Uhr werden weitere „Stolpersteine“ für Kaufbeurer Opfer des Nationalsozialismus verlegt. Bei der Veranstaltung werden fünf Männer und eine Frau gewürdigt, die während der NS-Zeit im kommunistischen Widerstand organisiert waren. Die Verlegung findet an verschiedenen Orten in der Innenstadt statt und wird durch den Künstler Gunter Demnig, dem Gründer des Erinnerungsprojekts, durchgeführt.

Kommunistischer Widerstand in Kaufbeuren
Zwischen 1933 und 1936 hatten sich in Schwaben kommunistische Widerstandszellen gegen das NS-Regime gebildet. In Kaufbeuren fand sich für die im Untergrund agierende KPD eine größere Gruppe von überzeugten und risikobereiten Kämpfern zusammen. Die Widerstandskämpfer arbeiteten daran, neue Mitstreiter zu gewinnen und knüpften Kontakte in umliegenden Städten wie Peißenberg, Schongau, Memmingen, Mindelheim und Obergünzburg. Die Mitglieder der Gruppe tauschten illegale Schriften und sammelten Gelder, die zur Unterstützung von inhaftierten Genossen oder ihren Ehefrauen und Familien eingesetzt wurden. Wegen ihrer Verbindungen zur illegalen Leitung der KPD in München flog das gesamte südbayerische Netzwerk im Sommer 1936 auf. Da die Parteiführung der KPD in München von einem Spitzel der Gestapo unterwandert war, konnten die Mitglieder des kommunistischen Widerstands in einer groß angelegten Verhaftungswelle gestellt werden. Bis Sommer 1936 wurden in Kaufbeuren 17 Personen des kommunistischen Widerstands verhaftet und wegen „Vorbereitung zum Hochverrat“ angeklagt. Die sechs Vertreterinnen und Vertreter der illegalen KPD, die am 21. März 2023 einen Stolperstein erhalten, zählen zum Kopf der Kaufbeurer Widerstandszelle. Zwei Mitglieder der Gruppe, Johann Schmid und Johann Schaudig kamen in der Haft ums Leben, die übrigen Widerstandskämpfer mussten alle jahrelange Haftstrafen verbüßen.


Der Künstler Gunter Demnig bei der Verlegung der Stolpersteine im September 2020.
Foto: Matthias Wild

Der Künstler Gunter Demnig bei der Verlegung der Stolpersteine im September 2020. (Foto: Matthias Wild)


Neuer Glanz für die Stolpersteine

Am 9. November 2021 fand anlässlich des Gedenkens an die nationalsozialistischen November-Progrome eine Reinigungsaktion für die vier in Kaufbeuren verlegten Stolpersteine statt. Das Stadtmuseum kümmert sich gemeinsam mit dem Technischen Ausbildungszentrum der Luftwaffe, Abteilung Süd (Standort Fliegerhorst Kaufbeuren) darum, dass die bereits etwas angelaufenen Gedenksteine wieder neuen Glanz erhalten. Der zweite Bürgermeister Oliver Schill und Oberst Martin Langer, der Kommandeur der Luftwaffenschule, begleiteten die Maßnahme.

Oberst Martin Langer im Gespräch mit Museumsleiterin Petra Weber und 2. Bürgermeister Oliver Schill, um einen Stolperstein stehend, dahinter vier Soldaten in Tarnanzügen

Bild 1: Oberst Martin Langer im Gespräch mit Museumsleiterin Petra Weber und 2. Bürgermeister Oliver Schill.

Bürgermeister Oliver Schill und Matthias Tietje (Hauptmann in der Reserve) beim Reinigen des Stolpersteins von Ernst Buxbaum.

Bild 2: 2. Bürgermeister Oliver Schill und Matthias Tietje (Hauptmann in der Reserve) beim Reinigen des Stolpersteins von Ernst Buxbaum.


Workshop zur Entwicklung einer App für die Stolpersteine

sechs Teilnehmerinnen des Workshops auf der Dachterasse des Museums, dahinter Dächer Kaufbeurer Altstadthäuser

Vom 06. bis 09. September 2021 hatte eine Gruppe Jugendlicher durch die Teilnahme an einem Workshop die Gelegenheit, sich bei der Gestaltung der App zu den Kaufbeurer Stolpersteinen einzubringen. Diese sollen in einem Rundgang miteinander verbunden werden. Die Teilnehmerinnen lernten die Geschichte der Opfer kennen, setzten sich mit dem Alltag zur Zeit des Nationalsozialismus auseinander und konnten mit Elisabeth Sturm, einer Zeitzeugin, ins Gespräch kommen. Letztendlich wurde dann ein Drehbuch für die Tonaufnahmen rund um die fiktive Erzählfigur Lisl entworfen. Bei ihr handelt es sich um eine Jugendliche, die die Nutzer der App mit auf eine Zeitreise ins Jahr 1943 nimmt, um ihnen Einblicke in ihr Leben zu geben. Im nächsten Schritt werden die Texte nun von den Teilnehmerinnen in einem Tonstudio aufgenommen.


Gedenkbuch für die Kaufbeurer Opfer der NS-"Euthanasie"

Gedenkbuch "Später wurde in der Familie darüber nicht gesprochen"

Am Freitag, den 18.12.2020, wird das Gedenkbuch für die Kaufbeurer Opfer der nationalsozialistischen „Euthanasie“-Verbrechen mit dem Titel „Später wurde in der Familie darüber nicht gesprochen“ der Öffentlichkeit vorgestellt. Es ist eines der vielen Nachfolgeprojekte der Sonderausstellung „Kaufbeuren unterm Hakenkreuz. Eine Stadt geht auf Spurensuche“, die diesen Sommer zu Ende ging.

Das Buch entstand in Zusammenarbeit mit dem ehemaligen Direktor des BKH Kaufbeuren, Prof. Dr. Michael von Cranach, Dr. Petra Schweizer-Martinschek vom Historischen Archiv des BKH Kaufbeuren und Petra Weber, der Museumsleiterin des Stadtmuseums Kaufbeuren. Es wurde gemeinschaftlich finanziert und herausgegeben vom Bezirk Schwaben, den Bezirkskliniken Schwaben und der Stadt Kaufbeuren.

Nach einer Einführung, in der die historischen Zusammenhänge und die Geschichte der Heil- und Pflegeanstalt Kaufbeuren während der NS-Zeit beschrieben werden, werden die Lebensgeschichten der 21 Kaufbeurer „Euthanasie“-Opfer dargestellt. So soll die dunkle Vergangenheit des BKH Kaufbeuren aufgearbeitet und die Namen der Opfer in Erinnerung behalten werden.

Statt einer öffentlichen Buchvorstellung mit Publikum möchte das Projektteam coronabedingt erste Einblicke in das Gedenkbuch im Rahmen einer digitalen Präsentation geben. Ab 18.12.2020 um 17:00 Uhr kann das Video auf Youtube und Instagram angesehen werden.

Die Publikation ist im Buchhandel sowie im Museumsshop des Stadtmuseums Kaufbeuren erhältlich.

Weitere Informationen finden Sie in der Presseinformation:


Stolpersteine in Kaufbeuren

Stolperstein Georg Riedels, umgeben von roten Rosen

Angestoßen durch das Ausstellungsprojekt „Kaufbeuren unterm Hakenkreuz. Eine Stadt geht auf Spurensuche“, das im August 2020 endete, wurden am 26. September 2020 erstmals Stolpersteine für vier Kaufbeurer*innen verlegt, die während der NS-Zeit ums Leben kamen.

Mit dem Projekt „Stolpersteine“ trägt der Künstler Gunter Demnig seit 1992 zur Erinnerungskultur an die Opfer des NS-Regimes bei – und das nicht nur in Deutschland, sondern in ganz Europa. Die mittlerweile über 70.000 ins Trottoir eingelassenen Messingtäfelchen sollen Passanten am letzten Wohn- oder Arbeitsort der Opfer über die Vergangenheit „stolpern“ lassen. So will man verhindern, dass die Opfer der Nationalsozialisten in Vergessenheit geraten.

Trotz des unfreundlichen, nasskalten Wetters und der Corona-Regelungen versammelten sich rund 60-70 interessierte Kaufbeurer*innen, um der Opfer zu gedenken. Auch eine Reihe von Angehörigen, die zum Teil weite Wege auf sich genommen hatten, nahm an der Zeremonie teil.  An allen Verlegeorten wurden Einblicke in die Biografien der Kaufbeurer NS-Opfer gegeben und Rosen niedergelegt, u.a. von der Kulturwerkstatt. Die nachfolgende Gedenkminute wurde von Tiny Schmauch und Astrid Bauer musikalisch stimmungsvoll untermalt.

Die Kaufbeurer Stolpersteine sind dem jüdischen Kaufmann Ernst Buxbaum, dem polnischen Zwangsarbeiter Stefan Smiglarski, dem politischen Widerstandskämpfer Georg Riedel und Marie Espermüller, die durch die NS-„Euthanasie“ ihr Leben verlor, gewidmet.

Den ersten vier Stolpersteinen sollen in den nächsten Jahren weitere folgen – möglicherweise auch in Zusammenarbeit mit Schulen und anderen Gruppen. Darüber hinaus ist eine begleitende App in Planung, um einen thematischen Rundgang zum Nationalsozialismus in Kaufbeuren zu ermöglichen – sowohl für Einheimische als auch für Touristen.

Mehr Informationen über die Kaufbeurer Opfer des NS-Regimes finden Sie auf den Handzetteln, die sie hier herunterladen können:

Sehen Sie sich den Beitrag zur Stolperstein-Verlegung bei TV Allgäu vom 28.09.2020 an.